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Russisches Wirtschaftsrecht - update 2016

Die gesetzlichen Neurungen erfassten vor allem die Darlehensvergabe an russische Tochtergesellschaften, die Haftung von Personen, welche dir russische Gesellschaft kontrollieren und Investitionsverträge mit der RF. Dies dürfte insbesondere für Investoren von Interesse sein, die auf dem russischen Markt mit einer Tochtergesellschaft präsent sind.

1. Angaben Handelsregister


Der Umfang der Informationen, die im EGRUL (Handelsregister) erhalten sind, ist erweitert worden. Es ist zusätzlich zu übermitteln u.a.:

  • das Vorliegen von Anzeichen der Zahlungsunfähigkeit,

  • die Gewährung einer unabhängigen Garantie samt der Bezeichnung des Hauptschuldners und des Garantieempfängers,

  • den Abschluss von Factoringverträgen,

  • die Zwangsvollstreckung ins Gesellschaftsvermögen.

2. Endbegünstigte einer Gesellschaft


Juristische Personen sind verpflichtet, die Person ihres (auch ausländischen) Endbegünstigten zu bestimmen oder zumindest alles Erforderliche zu dessen Ermittlung zu unternehmen. Es sind also folgende Handlungen vorzunehmen:

  • Bestimmung der Person des Endbegünstigten der Gesellschaft,

  • (Jährliche) Aktualisierung dieser Angaben und Aufbewahrung für mind. 5 Jahre;

  • Dokumentation aller Maßnahmen, die zur Feststellung der Person des Endbegünstig-ten ergriffen wurden.

Endbegünstigt ist eine natürliche Person, die un-/mittelbar über mindestens 25% am Stamm-/Grundkapital der Gesellschaft hält oder über Möglichkeit verfügt, kontrollierend auf die Tätigkeit der Gesellschaft einzuwirken.


3. Großgeschäfte und Geschäfte mit eigenem Interesse


Der Rechtsbegriff des (eines Zustimmungsbeschlusses bedürftigen) Großgeschäfts ist präzisiert worden. Es liegt beim Erwerb oder bei der Veräußerung des Gesellschaftsvermögens vor, aber auch im Fall einer bloßen Möglichkeit der Veräußerung (u.a. Darlehen, Pfand, Bürgschaft). Ebenso fällt in diese Kategorie ein Rechtsgeschäft, das zur Verpflichtung der Gesellschaft führt, ihr Vermögen in vorübergehenden Besitz / Nutzung zu übergeben oder einem Dritten das Recht zur Nutzung des geistigen Eigentums zu gewähren. Gemeinsame weitere Voraussetzung ist, dass der Kaufpreis / Bilanzwert mindestens 25% des Bilanzwerts der Aktiva der Gesellschaft beträgt.


Inhaltliche Anforderungen an den Zustimmungsbeschluss sind nun flexibler gestaltet wor-den: so kann der Beschluss einen Mindestbetrag für die Vermögensveräußerung bzw. einen Maximalbetrag für den Vermögenserwerb oder deren Berechnungsmethode erhalten, die Zustimmung kann für den Abschluss einer Reihe analoger Rechtsgeschäfte gelten oder unter der Bedingung gewährt werden, dass mehrere Rechtsgeschäfte abzuschließen sind.


Der fehlende Nachweis des der Gesellschaft / dem Gesellschafter entstandenen Schadens stellt als solcher keinen Grund mehr für die Abweisung einer Klage dar, die auf die Feststel-lung der Unwirksamkeit des abgeschlossenen Großgeschäfts gerichtet ist. Gleiches gilt, wenn die Stimme des klagenden Gesellschafters selbst bei einer Teilnahme keinen Einfluss auf das dem Großgeschäft zustimmende Ergebnis der Gesellschafterabstimmung gehabt hätte.


Die Zustimmung zum Abschluss von Rechtsgeschäften, an denen eigenes Interesse eines der Mitglieder der Gesellschaftsorgane, einer zu Weisungen berechtigten oder die Gesell-schaft kontrollierenden Person oder deren nahstehenden Personen (z.B. Kinder oder Ehepartner) besteht, ist nicht mehr zwingend, sondern kann auf Verlangen eines Mitglieds des Gesellschaftsorgans oder eines Gesellschafters mit mindestens 1% der Stammkapitalanteile eingeholt werden. I


n der Satzung einer non-public AG / GmbH kann das gesetzliche Zustimmungsverfahren anderweitig geregelt oder gar für nicht anwendbar erklärt werden. Für die entsprechende Satzungsänderung ist die Einstimmigkeit erforderlich.


4. Haftung von kontrollierenden Personen in der Insolvenz


Art. 10 Abs. 4 Insolvenzgesetz regelt die subsidiäre Haftung der die Gesellschaft kontrollie-renden Person für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn die Insolvenz auf Handlun-gen oder Unterlassen dieser Person beruht (z.B. Anweisung zur Veräußerung des Gesell-schaftsvermögens). Der Begriff der kontrollierenden Person ist erweitern worden, so werden z.B. auch die verwandtschaftlichen Beziehungen oder amtliche Positionen im Verhältnis zu dem Insolvenzschuldner berücksichtigt. Außerdem ist die zeitliche Komponente der Inanspruchnahme verschärft worden: die Kontrollmöglichkeit muss in den mindestens drei (statt bisher zwei) Jahren vor der Antragstellung bestanden haben.


Die neu eingeführten Abs. 5.1. – 5.8. des Art. 10 regeln das Verfahren der subsidiären Haf-tung von kontrollierenden Personen (ab 01.07.2017 in Kraft). So ist nunmehr jeder Insol-venzgläubiger berechtigt, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Dies kann sogar noch innerhalb von 3 Jahren nach der Beendigung des Insolvenzverfahren erfolgen, wenn der Gläu-biger erst danach von neuen haftungsbegründenden Tatsachen erfuhr.


5. Haftung für die Steuerschulden der Gesellschaft


Steuerrückstände der Gesellschaft können nunmehr auch von mit ihr verbundenen natürlichen Personen gefordert werden, wenn festgestellt wird, dass Erträge, Geldmittel und sonstige Vermögenswerte der Gesellschaft diesen Personen übergeben wurden.


Voraussetzung ist, dass die betroffene Person gerichtlich als eine mit der Gesellschaft (Steuerschuldnerin) verbundene Person anerkannt wird. Es sind etwa Mitglieder der Gesell-schaftsorgane, Gesellschafter mit einer Beteiligung von mindestens 20% oder Personen, die auf die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft Einfluss nehmen können. Die Haftung ist der Höhe nach auf den Wert des erhaltenen Vermögens beschränkt.


6. Unterkapitalisierung (Thin-Cap–Rules)


Die Unterkapitalisierungsvorschriften betreffen die Tilgung von grenzüberschreitenden Dar-lehensverbindlichkeiten einer russischen Gesellschaft (Darlehensnehmerin), die als „kontrollierbar“ anzusehen sind. Erfasst werden nun u.U. auch Darlehen, die gewährt werden von einer ausländischen

  • natürlichen oder juristischen Person mit einer un-/mittelbaren Beteiligung an der Darlehensnehmerin i.H.v. mindestens 25% oder mit einer verketteten Beteiligung, wobei die Höhe der direkten Beteiligung an der je nächst eingeschalteten Gesell-schaft mehr als 50% beträgt,

  • Schwestergesellschaft,

  • natürlichen oder juristischen Person, gegenüber der sich die o. g. Personen für die Erfüllung der Darlehensverbindlichkeit verbürgen, diese garantieren oder eine andere Sicherheit leisten.

Damit werden Fragen der Anerkennung von Zinszahlungen als Ausgaben oder als Dividenden auch solche Darlehensverbindlichkeiten russische Gesellschaften berücksichtigt.


Das Gericht kann ferner eine Verbindlichkeit als kontrollierbar anerkennen, wenn zwar keine der o. g. Fälle greift, jedoch festgestellt wird, dass das Endziel der Zahlungen eine Leistung an ausländische und mit der Darlehensnehmerin verbundene Personen ist.


7. Umsatzsteuer für digitale Dienstleistungen


Ausländische Unternehmen, die in Russland elektronische Dienstleistungen für Verbraucher erbringen, müssen sich bei der Steuerbehörde registrieren und die Umsatzsteuer abführen (für b2b gilt das Reverse-Charge-Verfahren). Betroffen sind u.a.:

  • Werbeleistungen, insbesondere die Bereitstellung einer Internetplattform,

  • Dienstleitungen im Zusammenhang mit der Platzierung von Angeboten zum Erwerb von Waren, Werk-/Dienstleistungen und Vermögensrechten,

  • Datenaufbewahrung, wenn der Datenlieferant einen Internetzugang zu diesen hat,

  • Hosting, Vergabe von Domai-Namen,

  • Zugang zu digitalen Büchern, Publikationen, Grafiken, Musikdateien, Videos u.a.,

  • Zugang zu Suchmaschinen,

  • Führung von Statistiken auf der Homepage.

Der Steuersatz beträgt für ausländische Anbieter 15,25% (für russische 18%), wobei sie nicht zur dem Vorsteuerabzug berechtigt sind.


8. Investitionsverträge mit dem russischen Staat


Sonder-Investitionsverträge (SIV):


Für Projekte, die im Rahmen von SIV umgesetzt werden, ist der föderale Anteil der Gewinn-steuer von 2 auf 0% herabgesetzt worden. Gleichzeitig kann der regionale Anteil von 18% auf 0% reduziert werden, wenn die regionalen Gesetze dies vorsehen. Möglich ist eine be-schleunigte Abschreibung mit Kennziffer 2 für Anlagevermögen der 1 - 7 Abschreibungs-gruppe.


Der Investor kann als sog. alleiniger Lieferant bei staatlichen Ausschreibungen bestimmt werden, wenn der SIV zumindest auch auf föderaler Ebene abgeschlossen ist. Das ermöglich ihm direkte Lieferungen an staatliche Partner ohne die Teilnahme an Ausschreibungen.


Das Investitionsvolumen muss dazu mindestens 3 Mrd. RUB betragen und das hergestellte Produkt über den Status „Made in Russia“ verfügen, wobei das Vorliegen eines SIV einen Grund für die Bestätigung der lokalen Herstellung darstellt. Die Abnahmemenge kann bis zu 30% der Produktion betragen.


Vertrag mit Investitionsgegenleistung:


Ein solcher Vertrag sieht die Verpflichtung des Investors (russische juristische Person) vor, eine Produktionsstätte in Russland zu begründen oder zu modernisieren. Er wird mit einer Region oder Kommune für höchstens 10 Jahre abgeschlossen. Der Investor erhält im Gegenzug die Position des alleinigen Lieferanten an seinen Vertragspartner und somit die Mög-lichkeit einer direkten Lieferung ohne die Teilnahme an Ausschreibungen.


Das gelieferte Produkt muss als „Made in Russia“ anerkannt sein. Das Investitionsvolumen beträgt mindestens 1 Mrd. RUB.


Regionaler Investitionsvertrag:


Gesetzliche Änderung betreffen auch einen mit einer Region abgeschlossenen Vertrag über die Herstellung bestimmter Produkte auf deren Gebiet mit einem Investitionsvolumen von 50 – 500 Mio. RUB. Bisher gewährte man steuerliche Vergünstigungen nur in bestimmten fernöstlichen und sibirischen Regionen, nun gelten diese in allen Regionen der RF. Es handelt sich um die ermäßigten regionalen Gewinnsteuersätze (bis zu 10% innerhalb von 5 Jahren ab der Erzielung des ersten Gewinns und ab 10% in den nächsten 5 Jahren) sowie die Reduzierung des föderalen Steuersatzes auf 0%.


9. Handelsgesetz (Lebensmittel)


Oft gewähren die Lieferanten den Händlern (i.d.R. Handelsketten) bestimmte Prämien bei der Abnahme von vereinbarten Warenmengen und der Erbringung von Dienstleistungen mi Zusammenhang mit der Förderung des Warenvertriebs, Logistik, Vorbereitung oder Verpackung usw. Die zulässige Gesamthöhe einer solchen Prämie wurde nun von 10% auf 5% des Werts der erworbenen Ware herabgesetzt. Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Handelsketten, die den Warenvertrieb durch Dritte ohne Eigentumsübergang auf diese vorsehen (u.a. Kommissionsvertrag, Auftrag, Agentenvertrag oder ein Mischvertrag mit Elementen dieser Verträge) sind nicht mehr zulässig. Ausgenommen sind die innerhalb einer Unternehmensgruppe i.S.d. Wettbewerbsgesetzes oder zwischen Handelsketten abgeschlossenen Verträge.


10. Geistiges Eigentum


Russische Produzenten können föderale Subventionen erhalten, um ihre Ausgaben im Zu-sammenhang mit der Registrierung von IP-Objekten im Ausland zu finanzieren. Es sind u.a. Aufwendungen für die Vorbereitung und die Einreichung eines entsprechenden Antrags im Ausland sowie für die Gebührenleistung, die im Umfang von 70 – 100% erstattungsfähig.


Juli 2017, veröffentlich bei der DRRZ - Deutsch-Russische Rechtszeitschrift (Berliner Wissenschafts-Verlag).

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