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„Ordentlicher Geschäftsführer“ - einige Fälle aus der russischen Rechtsprechung

Обновлено: 24 апр. 2018 г.

Öffentlich-rechtliche Verpflichtungen

Zu einer ordentlichen Geschäftsführung gehört es, dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft ihre öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen rechtzeitig und in voller Höhe erfüllt.



Diesbezügliche Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und ihrem Manger entstehen oft, wenn die Gesellschaft die Steuer (oder Zollgebühren) nicht rechtszeitig und/oder nicht in voller Höhe abführt und zur Verantwortung gezogen wird (z.B. es wird eine administrative Strafe verhängt). Die Rechtsprechung, wonach die Gesellschaft in einem solchen Fall eine Schadensersatzklage gegen den Manager erheben kann, wird nun vom OAG bestätigt. Voraussetzung ist, dass die Schadensentstehung auf mangelnde Organisation und Kontrolle durch den Manager zurück zu führen ist.


Haftung des Managers


Wird ein Schaden durch das Handeln (Unterlassen) eines Arbeitnehmers verursacht (welcher i. d. R. aus finanziellen Gründen zum Ersatz nicht imstande sein wird), kann der Schadensersatz von dem Manager verlangt werden, wenn dieser bei der Auswahl des Arbeitnehmers nicht sorgfältig handelte und seine Kontroll- und Organisationspflichten verletzte. Dies gilt auch für die Auswahl der Vertreter und sogar der Vertragspartner. Von dieser Zurechnung ist insbesondere der Generaldirektor betroffen, zu dessen Aufgaben und Befugnissen der Abschluss von Arbeitsverträgen zählt.


Arbeitsvertrag mit dem Generaldirektor


Das „Einzelausführungsorgan“ ist allein der Generaldirektor. Deutsche Unternehmen, welche z. B. eine gemeinsame Gesellschaft mit einem russischen Partner in Russland gründen und einen russischen Generaldirektor einstellen, sind i. d. R. sehr vorsichtig und fragen nach Möglichkeiten, die Befugnisse des Generaldirektors zu beschränken oder zumindest die Kontrolle zu sichern (nebst einer Mehrheitsbeteiligung). Einzige Möglichkeit ist die Gestaltung der Satzung (Zuordnung der wichtigsten Befugnisse dem Kompetenzbereich der Gesellschafterversammlung bzw. des

Vorstands) und des Arbeitsvertrages mit dem Generaldirektor.


Dies wird am folgenden aktuellen Fall deutlich:

Eine GmbH erhob gegen ihren Generaldirektor Klage auf Leistung des Schadensersatzes in Höhe von über 500 000 RUB, der ihr dadurch entstanden habe, dass der Beklagte eine Verfügung erlies („einen Befehl“), welche die Auszahlung einer Prämie in dieser Höhe an ihn selbst vorsah. Das Gericht stellte fest, dass die Satzung der GmbH eine Regelung enthält, wonach die Erstellung und Genehmigung von solchen Unterlagen, welche die innere Tätigkeit der Gesellschaft regeln („innere Dokumente“) in den Kompetenzbereich der Gesellschafterversammlung fallen. Diese Kompetenz wurde weder in der Satzung noch in dem Arbeitsvertrag an den Generaldirektor übertragen. Folglich handelte dieser unter Missbrauch der ihm durch das Gesetz, die Satzung und den Arbeitsvertrag eingeräumten Befugnisse.


Die Auszahlung von Prämien sowie die Feststellung und Änderung der Gehaltshöhe gehören zum Aufgabenkreis eines Generaldirektors. Um zu vermeiden, dass diesbezügliche Entscheidungen von ihm nach seinem freien Ermessen getroffen werden, soll man in der Satzung oder in dem Arbeitsvertrag bestimmte Regelungen vorsehen, wonach z. B. die Prämienauszahlung erst nach der Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu erfolgen hat, oder der Generaldirektor nur Arbeitsverträge mit einer festgelegten Maximalgehaltshöhe ohne die Zustimmung der Gesellschafterversammlung abschließen darf. In diesem Zusammenhang ist auch an eine Beschränkung bei der Einstellung von Verwandten zu denken.


Nachträgliches Wettbewerbsverbot


Weitere Schwierigkeit für die deutschen Unternehmen stellt die Aufnahme eines nachträglichen Wettbewerbsverbots in den Arbeitsvertrag dar, der ihnen aus Deutschland bekannt ist. Die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung mit dem Generaldirektor ist in der russischen Literatur streitig, wird aber von der Rechtsprechung eindeutig verneint. Die Begründung ist der Verstoß gegen Art. 2, 3 und 9 des Arbeitskodex RF und gegen die verfassungsrechtlich garantierte Arbeitsfreiheit, denn der Generaldirektor gilt in Russland als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitskodex.


Damit kann ein Wettbewerbsverbot nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden (z.B. hinsichtlich einer Nebentätigkeit). Zwar sieht der Arbeitskodex ein direktes Verbot solcher Vereinbarungen nicht vor, der Arbeitgeber wird aber im Falle eines Verstoßes seine Rechte aus der arbeitsvertraglichen Wettbewerbsverbot-Klausel nicht gerichtlich durchsetzen können, da die Klausel sehr wahrscheinlich als unanwendbar angesehen wird.


Wie kann aber die Gesellschaft (der Arbeitgeber) ihre Interessen vor der Verwendung oder Weitergabe der für den Betrieb wichtigen und nicht öffentlich zugänglichen Information für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Generaldirektor rechtlich schützen?


Es bleibt die Möglichkeit, eine Vereinbarung über „die Nicht-Offenlegung der vertraulichen Information“ zu treffen (sowohl in Form einer Regelung im Arbeitsvertrag als auch in Form einer zusätzlichen Vereinbarung möglich). Der Arbeitgeber ist berechtigt, von dem Arbeitnehmer die Geheimhaltung innerhalb einer bestimmten Frist zu verlangen. Die Schwierigkeit besteht aber in dem Erbringen der Beweise dafür, dass der ehemalige Geschäftsführer diese unter das Betriebsgeheimnis fallende Information dem neuen Arbeitgeber preisgegeben hat.


Ausdehnung der Haftung auf Dritte


Die Generaldirektoren im Amt haben nun nicht nur über den finanziellen Zustand der Gesellschaft zu wachen, sondern auch über die Lage bei den (potenziellen) Vertragspartnern. Es ist ratsam, die Verantwortung z. B. an die Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer abzuwälzen, indem man diese vor der Vornahme eines bedeutsamen Geschäfts mit der Prüfung des (potenziellen) Vertragspartners beauftragt. Dabei sind Grenzen für die Abwälzung der Verantwortlichkeit zu beachten, sodass weder sämtliche Befugnisse noch die Aufgaben aus dem Kernbereich übertragen werden dürfen.

Eine Generalvollmacht ist dem russischen Recht nicht bekannt und wird nicht von den Gerichten anerkannt. So entschied auch das OAG in einem Fall:

Die MBK-Allianz OOO wandte sich als Aktionärin des Wolgograds Motorenbauwerks (WMW) an das Gericht und begehrte den Ersatz des dem WMW durch die Handlung seines (ehemaligen) Generaldirektors entstandenen Schadens i. H. v. 100 Mio. RUB. Bei der genannten Handlung ging es um die Erteilung einer Vollmacht an eine dritte Person, welche diese dazu berechtigte, „jegliche Geschäfte abzuschließen und im Namen der Gesellschaft Verträge und sonstige Unterlagen zu unterzeichnen, die im Zusammenhang mit der Gesellschaftstätigkeit stehen“.


Daraufhin (4.9.2007) schloss der „Vertreter“ im Namen des WMW einen Vertrag mit einem Investor M. ab, wonach sich das WMW zur Rekonstruktion seiner 17 Anlagen verpflichtete und als Gegenleistung für die hierfür vom Investor M. zur Verfügung gestellten Mittel die Übertragung des Eigentums an 14 dieser Anlagen versprach.


Vorher (3.9.2007) wurde ein Vertrag in Namen des WMW abgeschlossen, in welchem sich das WMW als Darlehensgeber zu Gewährung eines Darlehens i. H. v. 100 Mio. RUB an die Sfera OOO verpflichtete. Nachdem nun der Investor M. den Betrag an den Darlehensnehmer übewiesen hat, wurde das Eigentum an den 14 Werken übertragen.

Der an den „Vertreter“ von dem Darlehensnehmer später (3.12.2007) übergebene Wechsel wurde nicht an das WMW weiter gereicht. Gegen den Verlust des Eigentums ging nun die Klägerin vor.


Das OAG deutete die Übertragung der Befugnisse in einem solchen (faktisch dem eigenen Befugnisumfang des Generaldirektors gleichenden) Umfang und ohne eine ausreichende Begründung als eine „nicht vernünftige“ Handlung des Generaldirektors und Verletzung der Rechte von Aktionären, welche bei der Erteilung einer solch umfangreichen Vollmacht zu beteiligen gewesen wären. Zusätzlich wies das OAG die erste und zweite Instanz darauf hin, dass der Erfolg einer Schadensersatzklage gegen den Manager nicht allein aus dem Grunde scheitern kann, dass für die Klägerin eine anderweitige Möglichkeit für den Erhalt des Ersatzes bestand.


Unternehmerischer Handlungsspielraum


Die Gerichte haben bei der Auslegung der Managerhandlung das unternehmerische Risiko zu beachten, sodass die negativen Folgen, die in der Zeit aufgetreten sind, zu welcher der Manager seine amtliche Stellung innehatte, als solche nicht sein pflichtwidriges Handeln beweisen.


Ob die Handlung noch „innerhalb des Rahmens des unternehmerischen Risikos“ liegt, wird vom Gericht aufgrund der Umstände im Einzelfall beurteilt, wobei die unternehmerische Entscheidung des Managers frei von Sonderinteressen (eigene Interessen, Interessen der verbundenen Unternehmen oder Verwandten) und sachfremden Einflüssen sein muss, dem Wohle der Gesellschaft dienen und auf angemessener Information basieren.


Es ist also dringend zu empfehlen, im Vorfeld der unternehmerischen Entscheidungen die zwecks Informationsbeschaffung getroffenen Maßnahmen möglichst umfangreich zu dokumentieren. Vom Hintergrund der genannten Voraussetzungen für ein gewissenhaftes und vernünftiges Handeln gleichen die Ausführungen des OAG zum unternehmerischen Risiko der deutschen Regelung des AktG: der unternehmerische Freiraum wird im § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG anerkannt, wonach eine Pflichtverletzung zu verneinen ist, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.


2015

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